Herrn
Staatssekretär Jochen Flasbarth
Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und nukleare Sicherheit
11055 Berlin Paderborn, 03.05.2019
Offener Brief zum Thema Windenergie und Artenschutz
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Jochen,
es gab zu Beginn der Energiewende einen Konsens zwischen den Naturschutzverbänden und den Verbänden der Erneuerbaren Energien, dass Klimaschutz und Artenschutz gemeinsam gedacht werden müssen und dass ein wirksamer Klimaschutz sogar eine wichtige Bedingung für den Fortbestand vieler Arten ist. Nach außen hin wird der Anschein der Gemeinsamkeit noch gewahrt, real existiert mittlerweile mit vielen Akteuren im Naturschutz eine durchgängige Konfliktlinie. Wenn Artenschutz inzwischen so verstanden wird, dass jedes einzelne Individuum unabhängig vom Grad der Bestandsgefährdung und unabhängig vom Ausmaß der Folgekosten absoluten Vorrang hat und das Ganze nur fokussiert auf Windenergie, nicht auf Verkehr und nicht auf Landwirtschaft, dann ist der Ausbau der Windenergie als eine der wichtigen Säulen im Klimaschutz definitiv am Ende. Der Bau neuer Windkraftanlagen an Land liegt in den ersten drei Monaten dieses Jahres fast 90 Prozent unter dem Quartalsniveau vergangener Jahre. In der letzten Ausschreibung wurden nur für 27% der ausgeschriebenen Kapazität Gebote abgegeben.
Auch zu Beginn des Ausbaus der Windenergie war es anstrengend, einen Ausgleich zu finden zwischen den Belangen des Naturschutzes und der Errichtung technischer Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung, aber es war möglich. Heute stellen wir fest: Die Wasserkraft wurde durch den Absolutismus im Artenschutz als erste Branche der EE in die Knie gezwungen. Wir sehen hier heute einen Abbau von Kapazitäten anstelle von Ausbau.
Die Windbranche hat in den letzten 20 Jahren im Rahmen ihrer Kompensations-verpflichtungen etwa 1,5 Mrd. € in Naturschutz investiert und viele Biotope, die heute neuen Windenergieprojekten entgegengehalten werden, erst selbst geschaffen. Inzwischen wird der notwendige Ausbau ausgebremst und die größten Bremser sind der NABU und die vom NABU personell durchsetzten Naturschutzbehörden mit ihren Vetorechten in jedem BImSchG-Verfahren.
Derzeit werden in Deutschland jährlich 2.800 MW Zubau an Windenergie ausgeschrieben. Nach Ansicht von Experten ist das für das Erreichen der Klimaziele zu wenig. Aber selbst für die ausgeschriebenen Zubaumengen gibt es zu wenig Projekte und die Gründe dafür lassen sich aufzeigen: Die starke Veränderung der Landschaften durch Windenergie ist notwendig, aber erstmal nicht populär. Es wäre Aufgabe der Klimaprotagonisten und der Politik, hier gemeinsam für einen gesellschaftlichen Konsens zu werben. Real aber verkünden sie in Paris große Klimaziele und schlagen sich zu Hause in die Büsche. Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) im Verantwortungsbereich des BMU müsste rational gesehen für Klimaschutz eintreten, um die Natur vor der Bedrohung durch Klimaveränderung zu schützen. Das Gegenteil ist der Fall.
Sie fordert, dass bei der Planung von Windparks stärker die Auswirkungen auf das Landschaftsbild und das Landschaftserleben berücksichtigt werden müsse. Naturnah wirkende Landschaften müssten ohne technische Überprägung erhalten bleiben. Die Grundsatzfrage, ob wir als Industriegesellschaft die Energiewende wollen mit allen Konsequenzen oder ob wir mit dem BfN zurückwollen zur Landschaftsromantik ohne technischen Energieverbrauch, ist längst entschieden. Wir können nicht bei jeder Bauleitplanung oder jedem BImSchG-Verfahren diese Frage wieder ernsthaft in den Raum stellen. Dass dieser romantisierende Zugang zu Natur und Landschaft direkte Konsequenzen hat, ist klar zu belegen. Im EU-Ausland sind längst technische Systeme zur Vogelerkennung und Vergrämung oder Abschaltung der WEA üblich. Mit neuen Kamerasystemen und KI können wir Vogelarten, ihren Abstand und ihre Flugrichtung sicher erkennen. Wir führen jetzt selbst solche Systeme hier ein und lassen sie auf eigene Kosten wissenschaftlich untersuchen. Da das BfN die Windkraft generell kritisch sieht, fördert es nicht nur nicht die Entwicklung solcher Systeme, sondern es lehnt den technischen Artenschutz einfach ab.
Und der NABU als reichster deutscher Umweltverband macht den Widerstand gegen die Windenergie zum Geschäftsmodell. Obwohl z.B. Landwirtschaft, Verkehr, Plastikmüll in den Meeren, Überfischung zu den großen Verursachern des Artensterbens gehören, konzentriert der NABU sein Verbandsklagerecht vorrangig auf die Windenergie und versammelt so die rückwärtsgewandten Nimbys dieser Republik hinter sich. Angeblich hat er mit dieser Masche im letzten Jahr 50.000 neue Mitglieder gewonnen.
Die Klagewelle hat inzwischen eine verheerende Wirkung: Mit beklagten Projekten und den Verfahrensdauern vor Gerichten kann niemand in eine Ausschreibung gehen. Formal beklagt werden die Genehmigungsbehörden, diese verändern in Folge radikal ihre Genehmigungspraxis, erfinden immer neue Artenschutzprüfungen (Nachdem alle Vogelarten einzeln abgeprüft sind, werden inzwischen Gutachten verlangt zur Frage, welche Auswirkungen WEA auf das Vorkommen von Moosen haben). Dadurch werden BImSchG-Verfahren immer aufwändiger und immer länger. Wenn dann die Genehmigung nach Jahren vorliegt, ist der beantragte Maschinentyp technisch veraltet. Auf die Genehmigung folgt dann sofort der Änderungsantrag nach BImSchG für einen neuen Maschinentyp und das Spiel beginnt von vorn. Wir sind schon dicht vor dem Punkt, wo daraus dann eine Endlosschleife werden wird. Dann bleiben wir permanent in Verfahren und aus dem alten Slogan ‚Tschernobyl ist überall‘ wird dann ‚BER ist überall‘.
Weitere Folge ist, dass kaum noch ein freier Anlagenbetrieb genehmigt wird, sondern die Betriebszeiten immer stärker beschränkt werden. Weniger Betrieb bei gleichen Kosten treibt dann die Preise hoch.
Ich füge ein aktuelles Beispiel an: An einem Standort mit 10 Anlagen, ohne Konflikte in Betrieb seit 2001, sind neue Anlagen als Ersatz (Repowering) beantragt worden. Seit Jahren gibt es in dem Gebiet, wie an vielen anderen Standorten Rotmilane. Im Umkreis von 1 km um die WEA ist aktuell ein Horst nachgewiesen. Die BImSchG-Genehmigung enthält jetzt 111 Auflagen! Eine davon ist, dass die WEA vom 1.3. bis zum 31.10. jeden Jahres nur noch bei vollständiger Dunkelheit betrieben werden dürfen. Im freien Betrieb könnte an diesem Standort mit neuen WEA Windstrom zu 5 ct/kWh, also dicht am Marktpreis produziert werden. Durch die Beschränkungen steigen die Kosten auf 8 ct/kWh. Dieser Preis wird sich durch die Verengung der Angebote dann in der Ausschreibung vermutlich auch tatsächlich erzielen lassen. Folge für die Stromverbraucher sind dann Mehrkosten von 40 Mio. € in 20 Betriebsjahren nur aus diesem einem Projekt. Die Kosten der Energiewende trotz mangelnder Zielerreichung noch weiter in die Höhe zu treiben, bringt die verfehlte Klimaschutzpolitik weiter in Verruf.
Jetzt höre ich, dass aus dem SPD+NABU-Führungsduo im BMU (Schulze/Flasbarth) mit Josef Tumbrinck (ebenfalls SPD+Nabu) ein Trio geworden ist. Josef Tumbrinck hat als NABU-Chef in NRW maßgeblich die Klagen gegen die Windenergie forciert. Mehrere aktuell noch laufende Klagen tragen seine Unterschrift. Das scheint ihn in Kombination mit dem passenden Parteibuch für eine Leitungsfunktion im BMU bestens zu qualifizieren. Dabei wird seine fachliche Qualifikation selbst im BMU in Zweifel gezogen.
Diese Personalie ist eine widerwärtige Schmierenkomödie und Parteifilz, wie er längst überwunden sein sollte.
Lieber Jochen, Deine Glaubwürdigkeit bemisst sich nicht an Deinen großen Worten auf Klima-Konferenzen sondern daran, wie Du zu Hause Klimapolitik umsetzt. Klimapharisäer nach dem Motto: ‚Global schwätzen, lokal verhindern‘ haben wir schon genug.
Wir fordern konkret:
Das BfN hat sich auf Naturschutz zu beschränken und nicht den Artenschutz zu instrumentalisieren für die Verteidigung historischer Landschaftsbild-Klischees. Das BfN soll auch die technischen Optionen für Artenschutz fördern und wirksame Systeme zertifizieren.
Wir erwarten vom BMU einen verbindlichen Artschutzleitfaden für den Bereich Windenergie, der den Ausbau der Windenergie real ermöglicht. Artenschutz muss international gedacht und konsistent organisiert werden. Der Mitteleinsatz für den Artenschutz muss nach dem Maßstab der Wirksamkeit vorrangig dort erfolgen, wo man damit die jeweils größten Bedrohungen verhindern kann. Es macht wenig Sinn, für den Individuenschutz einzelner Zugvögel in Deutschland enorme Summen aufzuwenden, wenn man mit diesen Mitteln entlang der Zugrouten ganze Bestände schützen kann, die dort heute noch bejagt werden oder deren Rastplätze aktiv ruiniert werden. Es spricht nichts dagegen, die Windenergiebranche an der Finanzierung solcher Projekte zu beteiligen. Konsistenz muss auch in Deutschland eingefordert werden. Warum müssen Windkraftanlagen Abstand zu Brutstätten der Waldschnepfe halten, wenn die Waldschnepfe gleichzeitig zum Jagdwild gehört?
Im Übrigen sollten mit öffentlichen Mitteln keine Verbände und Institutionen gefördert werden, die aktiv die Energiewende torpedieren.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Lackmann, Geschäftsführer WestfalenWIND